Das P.S. der Dallerei

Das P.S. der Dallerei

Kreatives Schreiben

Das P.S. der Dallerei ist ein Text, der sich der Frage stellt, was ein Trans*Mensch nach der Mastektomie mit seinen alten BHs alles anstellen könnte.

Das P.S. der Dallerei

Müde saß Lynn nun im Zug nach Hause und sinnierte des Weiteren endlich, endlich darüber nach, was er mit dem Büstenhalter seiner vergangenen Tage anfangen sollte, der noch bis vor Kurzem von linker Hand mit gut über einem Kilogramm Gepflicht und rechter Hand knapp neunhundert Gramm Existenz ausgefüllt worden war.
Was also damit tun, wenn das Innere zu einem spricht, man müsse sich deswegen etwas einfallen lassen, um nicht den Müll mit abgelebten und getragten Dingen mehren zu müssen und die Umwelt unschön damit im Privaten zu ballasten.

 Schließlich kicherte die kleine Lisa in seinen Ohren:

 „Jetzt sei kein Honk,
sondern gibt dir den Hut der Müte
und zieh mal an der Tüte.
Vielleicht machts dann Pling,
und du kannst das Ding
im Sinne der Kunst verhökern
mittels der Schaukel-Wut deiner Nachbarn.
Aber püppsch es vorher in feierlichen Abschieds-Ehren auf –
mit der hübben Püppe Pailletten-Schneiderei-Fleiß.
Dann stinkts nach Wunst,
und du kunnst dich freuen.“

 Lynn verdrehte die Augäpfel gen Lider und stöhnte sich schlussendlich lautstark in den Schlaf der Gerechten. Gottseidank saß er allein in diesem Zugabteil. Denn sonst hätte es vermutlich einen Aufstand der Sittenzwerge gegeben, noch bevor ihm der Schaffner hätte sein Billet kontrollieren können.

© CRSK, 05/2025

Notiz

Notiz

Kreatives Schreiben

Notiz ist ein Text-Fragment, dass ein altes Gefühlsbild meines jungen Erwachsenenseins thematisiert. Lynn schreibt Lisa, was er dazu denkt.

Notiz

„‚Wo ich dann bleibe?‛, fragst du mich, du klitzig kleines Wesen und windest dich im Lichtschein der tiefhängenden Scheinwerfer-Lampe a Detail hin und her. Sozusagen von Innen nach Außen in Kehrtwendung der Innereien bis hin zum Gesagten der Äußereien.

‚Wo ich dann bleibe?‛, ist übrigens d-eine Frage des Da-Seins und mir scheint nicht des Fortseins beziehungsweise Ausbleibens der Schweinereien deiner antwortenden Fragen und fragenden Antworten in meinem Kopf.
Denn du windest dich dabei wie ein Summi-Wesen inmitten der Ritzen und Pfützen deiner Möglichkeiten hin und her und switchst still vom gefühlten Mäusezähnchen bis hin zur sich mit Fühlern durchboxenden Ameise, nur um nicht wie der Zahn der Maus in das Loch mit Karies in den Wänden zu kriechen, nur um dort den Sonnenschein abzuwarten.
Und die Ameise in dir legt im Prinzip die Boxhandschuhe nie ab, auch wenn ihre Fühler schon ganz taub und wund sind vor lauter Herausforderungen meiner großen Welt.
So ist der Boxring inmitten meines Daseins etwas ganz anderes als das Mauseloch in der Wand deines Zimmers.

Und du, mein kleines Mädchen, darfst entscheiden, wer du bist.
Ich sage bewusst, wer du bist und nicht wer du sein willst. Weil du eben bist, was du bist und wer du bist und nicht wer du sein magst, wenn es um die Authentizität deines Seins geht.
Denn ich sehe nun einmal, wie du dich in deinen vielen Nicht-Möglichkeiten windest, einer Natter in der Falle gleich, der durch die Maus eine lange Nase gedreht wird.

Du kannst nicht alles wollen, was du nicht hast. Denn es wäre nicht gut für den rosafarbenen Teint in deinem Herzen. Denn die stille Teilhabe in den Rängen der Zuschauer eines anderen Lebens ist wie die verzweifelte Bescheidenheit der wankelmütigen Herzen im eigenen Sein.“,

schrieb Lynn seiner kleine Lisa ins Poesiealbum.

© CRSK, 05/2025

Angaben zum Bild:

Ohne Titel. KI-generiert mit Leoanard.ai und composed mit Affinity Publisher. Man mache aus sogenannten „Fails“ der Ki-Generierung etwas Skurriles.

Bornholm ist noch weit fort

Bornholm ist noch weit fort

Kreatives Schreiben

Bornholm ist ein Text über die Ängste des kindgebliebenen Lynn. Er spielt in seiner erwachsenen Gegenwart und erzählt von seiner Seelenlandschaft.

Bornholm ist noch weit fort

„Bornholm ist noch weit fort“, dachte sich der Origami-Kranich, als er zu Füßen des kleinen Jungen landete und ihn dabei mit der Farbe seines Gefieders bekleckerte. Denn er hatte die Angst und die Traurigkeit sowie die Scham des Jungen gespürt und wollte ihn teilhaben lassen an der Sonnenseite seines Vogeldaseins.

Doch der kleine Junge bemerkte dies gar nicht. Er stand inmitten des Stroms der grauen Eminenz und hielt der Marschrichtung der Masse entgegen Ausschau nach seiner Mutter, nach seinem Vater oder zumindest irgendjemandem der ihm vertraut ausschaute.

Aber da war nur die Angst in ihm, vergessen worden zu sein und das machte ihn traurig.
Ängstlich ob der gefühlten Gewissheit allein und zurück gelassen worden zu sein.
Ängstlich ob der eventuellen Tatsache zu spät zu kommen und dann auf Godot warten zu müssen.
Traurig, weil niemand da war, der ihn an die Hand nahm und tröstete.
Und schambehaftet, weil er sich vor Angst sprich-wörtlich in die Hosen machte, ohne dabei zu bedenken, dass das nun jeder sehen und vorallem riechen konnte.

So betrachtete ihn der Origami-Kranich, blieb eine Weile bei ihm, erhob sich schließlich aber wieder – seiner Natur folgend – in die Lüfte, die ihn am Ende nach Bornholm mit sich von dannen trugen …

© CRSK, LE, 04/2025

 

Post Scriptum:

Über die Angst eines erwachsenen Lynn. Beziehungsweise über eine seiner Ängste.

Rabbit-Hole

Rabbit-Hole

Kreatives Schreiben

Rabbit-Hole ist ein Text, in dem Lynn der Grenzwanderer einem weißen Hasen / Kaninchen begegnet. Ob es Horror und niedlich ist, ….?

Rabbit-Hole

Lynn hatte nicht gerade das Glück aus dem Lostopf gezogen, als er mitten in der Nacht die junge Frau Färse erblickte, wie sie wie die Kuh vorm versiegelten und verschlüsselten Tor stand und das Rätsel des Quaddel-Meisters Schluck-Schlumm nicht lösen konnte.
Und schließlich saß sie, die Frau Färse, auch noch dem mitternächtlich gefälschten Hoax auf, dass sich das Rabbit-Hole zur Geisterstunde öffnen würde, um den falschen, weiß befellten Geister-Hasen in die Traumwelt der Menschen zu entlassen, damit er die Unken in den Taschen der Grenzwanderer erschrecken konnte.
Da gruselte sich Lynn schließlich sehr und zog einen rostigen Dolch aus seiner Manteltasche, um den Torf zu seinen Füßen zu stechen. Denn er wollte die Feuer zu seiner Linken und Rechten des Weges schüren und mit frischem Torf neu anheizen, um das Silber des Mondes darin schmelzen zu können.

Dann brach das blaue Chaos der alten Meister über ihn herein und malten sein situatives Bild völlig neu. So dass Lynn plötzlich zu seiner Überraschung ein geköpftes Federvieh verkehrtherum in den Händen hielt, um die Todessehnsucht des Tieres zu untermalen.
Wobei es damit nicht weither gewesen sein konnte, glaubte er. Denn das Federvieh überraschte ihn immer wieder mit seiner Agilität in den letzten gefühlten Lebensaugenblicken. Und als es endlich seinen letzten Lebensatem ausgezuckt hatte, fühlte Lynn die Straffung seiner vorher laschen Sinne.
Hoffentlich würde er nicht ins Rabbit-Hole fallen müssen, um das Sondervermögen seiner Ahnen herauszufischen. Denn ihm war darüber jetzt schon klar, dass dies nicht der Norm in den Köpfen derer Menschen entsprechen konnte, die für ihn bisher gut gesorgt hatten.

 

© CRSK, LE, 03/2025

Hunger

Hunger

Kreatives Schreiben

Hunger ist die Vertextlichung eines Traumes, den ich heute morgen gehabt habe. Er erzählt von einem Gefühl meiner Kindertage.

Hunger

Lynn war wieder sieben Jahre alt und fühlte sich vor freudiger Erregung darüber, was er alles zu berichten hatte, fast so, als ob sich die Worte in ihm so wie früher in seiner Lisa bis zum Bersten angestaut und aufgeplustert hätten und nur darauf warteten seiner Lisa und dem Ruprecht, auf dessen Schoß er beziehungsweise sie wieder gesessen war, die Füße vollzukotzen.
Seiner Lisa war schon speiübel vom Hoppe-hoppe-Reiter-Spiel, dass der Ruprecht früher immer gern mit ihr gespielt hatte, wenn er in der Laune dazu gewesen war.

Und so kam es, wie es kommen musste.

Lynn redete und redete und erbrach dabei seine Worte im Überschwall der erregten Gefühle und bemerkte eben nicht, dass er nur nach der Aufmerksamkeit seiner (geistig) abwesenden Mutter gierte.
Ihm war schon gänzlich blümerant zumute, und sein Wortschwall wurde nun zunehmend von einem immer penetranter werdenden Schluckauf unterbrochen, so dass Lisa so bekotzt, wie sie sich fühlte, dazu nur meinte, dass die Mama an sie beide denken, aber im selben Augenblick den Ruprecht in Gedanken küssen würde.

Als dann am Ende das Hoppe-Hoppe-Reiter-Spiel auf Ruprechts Schoß in Lynns Traum immer wilder und wilder zu werden drohte, riss sein Redeschwall plötzlich ab und zerbrach die Wort- und Assoziationsketten seiner Gedanken in sinnlose Fett- und Magerworte oder auch in Fressmaschinen und mehr oder weniger nahrhafte Füllungen der Wortfetzen.

Schließlich weinte Lisa dem Ruprecht die Ohren voll, weil er ihr zu ruppig gewesen war und ihr dabei das Sonntagskleid zerknittert und beschmutzt hatte, dass sie zu diversen Anlässen immer anziehen musste, obwohl sie es damals gehasst hatte. Dabei wusste sie doch, dass Ruprecht nur ihr bestes wollte. So wie früher, wenn sie sich nach den Armen und den Ohren ihrer Mutter gesehnt hatte und dies nicht möglich gewesen war, weil sie eben anderweitig zu tun gehabt hatte und nicht anwesend gewesen war oder aber erschöpft im Bett gelegen und sich müde vom Leben geschlafen hatte.

Lynn rülpste. Luft hatte sich in seine Magengrube verirrt und weckte ihn nun mit dem Drang nach draußen auf. Es war sechs Uhr am Morgen. Er fühlte sich einsam, und die Nacht hatte ihn hungrig gemacht.

 

© CRSK, LE, 02/2025

Vor dem Aufwachen

Vor dem Aufwachen

Kreatives Schreiben

Vor dem Aufwachen ist ein Text über dem Gabmat. Ein Wesen, was Gaben frisst und und Menschen transformiert. Es ist Lynns Traum.

Vor dem Aufwachen

„Der Gabmat hat noch immer Hunger“, murmelte Lisa ihrem Lynn zu und runzelte die Stirn. „Und wenn du nicht aufpasst, frisst er dir am Ende noch die Haare vom Kopf“, fuhr sie leise fort. Er scheint mir, wie das Feuer in deinem Herzen zu sein, dass das Strandgut deines Lebens vertilgen will, um es schließlich der Asche zu übergeben.“
Lynn sagte nichts und versuchte mit seinen Blicken den Nebel zu durchdringen, der seit Tagen schon mal mehr und mal weniger die Stadt einwattiert hatte, so dass ihr Leben nur noch gedämpft zu ihm durchdrang.
„Und wenns doof läuft für dich“, sprach Lisa weiter, so als ob sie die Watte da draußen gar nicht wahrnahm, „dann macht dich der Gabmat naggisch. Naggisch an Leib und Seele. Naggisch im Herzen. Dann bist du irgendwann nur noch als suboptimaler Obstrahent in Obstanz unterwegs und gar nicht mehr als kontinentales Plus.“
Lynn konterte nicht, sondern schwieg weiter. Er schob dem Gabmat noch immer eine Gabe nach der anderen in den Schlund. Ohne Punkt und Komma.
Und Lisa prustete: „Ohne Puschi-Muh und Zuckerguss. Sonst ists vermutlich aus mit der Zuckermaus“
„Ja, ja, ich weiß“, zuckte Lynn mit seinen Schultern. „Dann ist es ebenso. Na und!? Es ist doch sowieso nur ein Traum, dessen Inhalte im nächsten Moment in Schall und Rauch aufgehen werden, oder?“

 

© CRSK, LE, 01/2025