Kreatives Schreiben

Hunger ist die Vertextlichung eines Traumes, den ich heute morgen gehabt habe. Er erzählt von einem Gefühl meiner Kindertage.

Hunger

von | Feb. 1, 2025 | Lynn & Lisa Lonely Texte, Nicht vertont

Lynn war wieder sieben Jahre alt und fühlte sich vor freudiger Erregung darüber, was er alles zu berichten hatte, fast so, als ob sich die Worte in ihm so wie früher in seiner Lisa bis zum Bersten angestaut und aufgeplustert hätten und nur darauf warteten seiner Lisa und dem Ruprecht, auf dessen Schoß er beziehungsweise sie wieder gesessen war, die Füße vollzukotzen.
Seiner Lisa war schon speiübel vom Hoppe-hoppe-Reiter-Spiel, dass der Ruprecht früher immer gern mit ihr gespielt hatte, wenn er in der Laune dazu gewesen war.

Und so kam es, wie es kommen musste.

Lynn redete und redete und erbrach dabei seine Worte im Überschwall der erregten Gefühle und bemerkte eben nicht, dass er nur nach der Aufmerksamkeit seiner (geistig) abwesenden Mutter gierte.
Ihm war schon gänzlich blümerant zumute, und sein Wortschwall wurde nun zunehmend von einem immer penetranter werdenden Schluckauf unterbrochen, so dass Lisa so bekotzt, wie sie sich fühlte, dazu nur meinte, dass die Mama an sie beide denken, aber im selben Augenblick den Ruprecht in Gedanken küssen würde.

Als dann am Ende das Hoppe-Hoppe-Reiter-Spiel auf Ruprechts Schoß in Lynns Traum immer wilder und wilder zu werden drohte, riss sein Redeschwall plötzlich ab und zerbrach die Wort- und Assoziationsketten seiner Gedanken in sinnlose Fett- und Magerworte oder auch in Fressmaschinen und mehr oder weniger nahrhafte Füllungen der Wortfetzen.

Schließlich weinte Lisa dem Ruprecht die Ohren voll, weil er ihr zu ruppig gewesen war und ihr dabei das Sonntagskleid zerknittert und beschmutzt hatte, dass sie zu diversen Anlässen immer anziehen musste, obwohl sie es damals gehasst hatte. Dabei wusste sie doch, dass Ruprecht nur ihr bestes wollte. So wie früher, wenn sie sich nach den Armen und den Ohren ihrer Mutter gesehnt hatte und dies nicht möglich gewesen war, weil sie eben anderweitig zu tun gehabt hatte und nicht anwesend gewesen war oder aber erschöpft im Bett gelegen und sich müde vom Leben geschlafen hatte.

Lynn rülpste. Luft hatte sich in seine Magengrube verirrt und weckte ihn nun mit dem Drang nach draußen auf. Es war sechs Uhr am Morgen. Er fühlte sich einsam, und die Nacht hatte ihn hungrig gemacht.

 

© CRSK, LE, 02/2025