Bornholm ist noch weit fort

„Bornholm ist noch weit fort“, dachte sich der Origami-Kranich, als er zu Füßen des kleinen Jungen landete und ihn dabei mit der Farbe seines Gefieders bekleckerte. Denn er hatte die Angst und die Traurigkeit sowie die Scham des Jungen gespürt und wollte ihn teilhaben lassen an der Sonnenseite seines Vogeldaseins.
Doch der kleine Junge bemerkte dies gar nicht. Er stand inmitten des Stroms der grauen Eminenz und hielt der Marschrichtung der Masse entgegen Ausschau nach seiner Mutter, nach seinem Vater oder zumindest irgendjemandem der ihm vertraut ausschaute.
Aber da war nur die Angst in ihm, vergessen worden zu sein und das machte ihn traurig.
Ängstlich ob der gefühlten Gewissheit allein und zurück gelassen worden zu sein.
Ängstlich ob der eventuellen Tatsache zu spät zu kommen und dann auf Godot warten zu müssen.
Traurig, weil niemand da war, der ihn an die Hand nahm und tröstete.
Und schambehaftet, weil er sich vor Angst sprich-wörtlich in die Hosen machte, ohne dabei zu bedenken, dass das nun jeder sehen und vorallem riechen konnte.
So betrachtete ihn der Origami-Kranich, blieb eine Weile bei ihm, erhob sich schließlich aber wieder – seiner Natur folgend – in die Lüfte, die ihn am Ende nach Bornholm mit sich von dannen trugen …
© CRSK, LE, 04/2025
Post Scriptum:
Über die Angst eines erwachsenen Lynn. Beziehungsweise über eine seiner Ängste.