Die Säuernis von ranziger Butter

Die Säuernis von ranziger Butter

Kreatives Schreiben

Die Säuernis von ranziger Butter ist ein Text, der von einem Platzhahn und seinen „willigen“ Hennen erzählt und einem Steckbrief über einen Buttersäureanschlag, den ihm am Ende die wahrheften Hirschhennen ins zerzauste Federkleid stecken.

Die Säuernis von ranziger Butter

* Die Hennen vom Schafott-Berg haben die ranzige Butter mit ihrer Säuernis nicht (von allein) auf ihre trockenen Renftel gestrichen. Garantiert nicht! *

Der Platzhahn mirscht sich bei seiner Pirsch über die malerischen Waldlichtungen sonders gleichen an die Scham der Hirschhennen heran, um sie eine nach der anderen mit dem Geruch von ranziger Butter flachzulegen. So jedenfalls ist es sein Plan gewesen, als er das Paradies der Hirschhennen betritt.
Doch dann erblickt er die wilden Schalotten-Zwiebeln, die die Hennen als Lockmittel für den Hirsch am Platze ausgelegt haben, um diesen mit dem Charme eines anscheinend noch nicht geräuberten Gemüsegartens ihrer Scham zu locken und ihm vorzugaukeln, dass sie wehrlose Hühner seien, die man sich einfach so nehmen und beiseiteschaffen könne, um sie oder auch ihre Eier irgendwann schließlich in die Pfanne zu hauen.

Und so thronen die überreifen Schalotten filmisch geschickt inmitten der Lichtungen auf den Schamhügeln der scheinbar schlafenden Platzhennen und warten samt ihren Eignerinnen darauf, vom Hirsch des Hauses vernascht zu werden.
Als der läufige Platzhahn jedoch mitten in der blauen Supermondnacht plötzlich lautstark über seine eigenen Füße stolpert, stieren ihn mit einem Mal über hundert royal grün-orangene Hühneraugen an. Dann beginnen die dazugehörigen gelben Schnäbel hackend auf seinen Leib einzutrommeln, der mit einem Male in der Schockstarre seines Lebens versinkt, um sich für die Angreiferinnen tot zu stellen.

Als die Schnäbel der Hennen endlich mit ihren Attacken pausieren, ist es fast um den Platzhahn geschehen. Noch immer ist er vom Schock seiner eigenen Narretei erstarrt. Erst als ihm die Hennen moralinsauren Essig unter die Nase halten und ihn dabei mit seiner ranzigen Butter noch eine Einreibung verpassen, bekommt er das große Würgen und Rennen und flüchtet schnurstracks aus ihrer Reichweite.
Verwirrt zieht er mitten im Rückzug von seinem missglückten Streifzug durch die gar nicht lüsternen Gärten seiner Hennen einen zerknüllten Steckbrief aus seinem zerzausten Federkleid. Darauf stand mit ungelenken Lettern hingekritzelt:

Buttersäure-Attentäter gesucht!
Zuletzt in der Nacht des blauen Supermondes gesichtet.
Für sachdienliche Hinweise wird eine Belohnung von Eintausend Litern Buttermilch ausgesetzt.
Meldungen sind an die Hennen vom Schafott-Berg zu richten.
Mit bestem Dank
Ihre Oberhenne vom Platz
Margot

 

© CRSK, LE, 08/2024

 

 

Post Scriptum

Es gab in der Nacht vom 16. zum 17. August einen Buttersäure-Anschlag auf das Leipziger Figurentheater Westflügel und deren unmittelbaren Anwohner.
Und ich persönlich kann nur sagen:

Schämt euch, ihr da draußen, die diese Missetat begangen habt! Ihr schießt euch selbst damit letztendlich ins eigene Bein, auch wenn euch anscheinend die bunte Kulturlandschaft Leipzigs missfällt.

Warum sollte Mensch sonst so etwas kurzsichtiges tun? Oder?

War es die Angst vor der Macht einer freien und auch diversen Kulturlandschaft? War es Neid und Missgunst? Oder einfach die Gedankenlosigkeit vom gelangweilten Partyvolk? Oder gar eine saudumme Mutprobe? Oder etwa die Tat gewalt-extremer (egal welcher Couleur) Kräfte?

Ich, als freudiger Besucher des diesjährigen Sommerfestes verstehe das nicht. Soll das etwa die zukünftige Umgangsform mit nicht genehmen Meinungen und künstlerischer Schaffensfreiheiten sein?

Na dann, Prost Mahlzeit! Es drohen uns finstere Zeiten. Ganz finstere …

Buttersäureanschlag auf den Westflügel

Charlotte kocht

Charlotte kocht

Kreatives Schreiben

Charlotte kocht ist ein Text über die Tatsache, dass die Liebe auch durch den Magen geht. Sinnlichkeit pur. Die Verführung des Geschmackes.

Charlotte kocht

„Die letzten Tage“, ach, was schreibe ich, „gar Wochen ging es sehr bewegt am Set meines Lebens zu“, notierte Lynn in sein Tagebuch.
Er lächelte und sinnierte dabei über all die kleinen und großen Szenen der vergangenen Stunden, Tage und Wochen. Und er freute sich, dass ihn die Ereignisse nicht erschlagen, sondern am Leben gelassen hatten, damit er sich wie ein weißer Rabe in die Lüfte hatte erheben können, um just in diesen Momenten das Paradies der Waldlichtungen in den Augen seiner Freundin im Tiefflug seiner wachen Träume ergründen zu können.
Denn sein innerer Regisseur, dem das Filmset und der gesamte Campus gehörte, hatte sich ihm gnädig gezeigt und – von langer Hand geplant – seine eine Liebe auf den Plan gerufen.

Und nun stand Charlotte in seiner Küche und brachte den Schalotten näher, wie sie royal in der Suppe ihrer beider Dasein schwimmen konnten, ohne mit den Pfifferlingen und Süßkartoffeln zu konkurrieren.
Denn Charlotte war eine Meisterin der Küche der Herzen und war sogar dazu in der Lage läufige Geister in den Gaumenfreuden der Sinne einzufangen. So saß Lynn, der gar nicht mehr lonely gewesen war, schließlich leicht bekleidet inmitten der drückenden Wärme seines Atelier-Wohnzimmers und ließ sich vom aromatischen Duft der Schalotten entflausen.

Währenddessen erleichterte sich gerade ein übellauniges Sommergewitter in den Straßen der Stadt, trommelte mit seinen Regenfingern von draußen gegen die Fensterscheiben des Hauses, in dem Lynn wohnte, perkussionierte ungezählte Achtungs-Wirbel auf den Dächern ganzer Straßenzüge und setzte kurzzeitig Gehwege und Fahrbahnen unter Wasser, so dass der Verkehr zwangsweise pausieren musste, bis die Feuerwehren die Keller zahlreicher Häuser und die Kanalisation im Bett des Straßennetztes wieder in den Takt des Untergrundes gebracht hatte.

Lynn lächelte abermals. Er hatte sich inzwischen neben seiner Charlotte auf der Couch niedergelassen und hielt vorsichtig die halbvolle Schale mit Suppe in den Händen. Während seine Freundin ihren Kopf an seine Schulter gelehnt hatte und mit den Fingern ihrer linken Hand die Kringel-Haare seines rechten Beines kraulte. Um nichts in der Welt hätte er jetzt mit irgendwem anderen da draußen im Regen tauschen wollen, denn filmisch wäre das der pure Nonsens gewesen …

 

© CRSK, LE, 08/2024

Vom Nein sagen

Vom Nein sagen

Kreatives Schreiben

Vom Nein sagen. Ein Gedicht, dass eine ganz klare Message hat. Ein persönliches Nein kann sehr wohl ein Ja zu sich selbst sein. Es spricht für den Mut zum Nein sagen.

Vom Nein sagen

Das Nein ist ein Ja zu mir selbst
Es meint kein Klein im Wein der Nacht,
hat aber Macht über die Freiheit des Selbst
Und niemand ist dann wahnisch im Ego
oder gar istisch im mistischen Wego

Nein

Das Nein sagt Ja zum großen Mögen
der eigenen vertrögenen Bezögen
Es weint nicht meine Länglichkeiten im Un
aber die Fänglichkeiten im Mut
zum Bedürfnis nach Ruh‘
und tut gut

 © CRSK, Le, 08/2024

Im Spiegel

Im Spiegel

Kreatives Schreiben

Im Spiegel ist ein Lynn Lonely Text der Tagebuchart. In ihm geht es um kritische Selbst-Bewertungen von innen wie außen. In dem Lynn feststellt, dass er aus der Form seines Lebens geraten ist. Eine etwas überkritische Selbstbetrachtung, die aber dann doch oder gerade deshalb mit einer liebenden Selbstumarmung endet.

Im Spiegel

Es ist Sonntagvormittag. Nackt steht Lynn Lonely in der Mitte des Bades und blickt mit müden Augen in die Richtung des Spiegelschrankes, der an der Wand hängt. Er betrachtet sich in den Spiegeln der Türen. Sein unförmig aus dem Leim gegangener Körper wird von der Stasibeleuchtung der Badezimmer-Deckenlampe ausgeleuchtet und kundschaftet dabei jede Unebenheit und Unreinheit seiner Haut aus.
Niemand souffliert ihm ein, dass er nicht schön sei. Dennoch hört er just in diesem Augenblick des Sonntagvormittags seine innere Kritikerstimme ihm zuflüstern, dass er genau dies sei. Nicht schön. Und dass seine Beine ungezählte Besenreißer hätten und die Neigung zu Krampfadern und dass sich der Teint deren Haut zu den Füßen hin nicht von seiner besten Seite zeigen würde.
„Stimmt“, gestand sich Lynn Lonely selbst ein. „Und ich wiege derzeit mal wieder so viel wie die Altlasten auf den Schultern meiner längst vergangenen Kindertage. Und noch mehr. Mein Bauch ähnelt dem eines übermäßigen allabendlichen Biertrinkers und das obwohl ich schon lange gar keinen Alkohol mehr konsumiere“, dachte Lynn laut vor sich hin und sah die Erschöpfung in seinem Gesicht. „Er ist mittlerweile so behaart wie der des längst verstorbenen Mannes der ehemaligen Studienfreundin meiner Mutter“, fuhr er fort.

Sein innerer Kritiker kicherte: „Jeder Pickel für eine Ungereimtheit in deinem Sein! Jede rötliche Wundheit deiner Haut für einen verletzten Moment in deinem Leben. Jeder Besenreißer für eine Persona-non-Grata in deiner Vergangenheit! Jede Falte im Gesicht eine gewesene Gewalt im Wortsinn! Und jedes graue Haar eine sich sorgende Eitelkeit mehr!“

Und Lynn verzog das Gesicht und blickte säuerlich drein. „Bewertung! Bewertung! Bewertungen von innen und von außen.“, sprach er laut mit seinem Spiegelbild.
„Ja, ich weiß. Ich bin aus der Form meines Lebens gerutscht. Der Busen hängt und ist noch immer der einer Frau, zeigt aber schon die Behaarung eines männlichen Wesens. Ich weiß, was du mir sagen willst. Aber ich mag mich tatsächlich so. Mit all meiner Indifferenz und meiner mehr werdenden Körperbehaarung.“
„Auch wenn du Zweifel daran hast“, fuhr Lynn zu seinem Spiegelbild fort, „ob ich da nicht den Bock zum Gärtner meiner Wünsche und Träume mache. Doch ich fühle mich dennoch auf dem richtigen Weg und auch gut dabei.“
Er sah die Trauer in seinen Augen. Die Trauer über das Leid in seinem bisherigen Leben und die Trauer über all die vertanen Chancen. Dennoch lächelte er sein Bild im Spiegel an und nahm sich selbst dabei herzlich in den Arm.

© Le, 07/2024