„Du Oarsch!

„Du Oarsch!

Kreatives Schreiben

Du Oarsch! ist ein emotionaler Text über psychische Nöte und Krisen. Lisa ist sauer und Lynn ist durch den Wind.

Kreatives Schreiben

Die Vertonung von Come on.

„Du Oarsch!

Du saubleeder Saupreiß due! Dia woasch i die Oahrwoaschln mit Chili und Knofi, wenn du dir noch oan Schritt vors Brett woagst! Des soag i diar und geb diar Brief und Siegel draaf. Du Depp!“, schimpfte Lisa lauthals mit sich selbst und knallte dabei mehrfach ihre immer wieder aufflammende Wut gegen Wände, Türen und Fenster des Hauses.
Nichts, aber auch wirklich gar nichts hatte sie dazu bewegen können, noch einmal ruhig auszuharren und die drohend befürchtete Misere auch weiterhin geduldig abzuwarten. Denn sie hatte die Nase im wahrsten Sinne des Wortes vor lauter Verschnupfung und Verkopfung gestrichen voll.
Seit Tagen schon träumte sie vom Bau der drohenden Klagemauer in Lynns Wahlheimatstadt und bekam schließlich gestern Morgen in aller herrgottsfrühe die fette Schlagzeile darüber brühwarm von ihrem und Lynns Händie serviert.
Die Klagemauer über ihre ewige Farce mit der gefühlten Endloswarterei auf Godot. Auf den Augenblick, der ihr sagen würde: Ja, es ist alles gut. Oder: Ja, es wird alles gut. Oder: Ja, es wird alles gut und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende. Oder what ever for positive Thinking in dieser diesjährig nasskalten Weihnachtszeit.
Sie schlug mit der flachen Hand auf Lynns Küchentisch und brüllte: „Ich hob die Schnauzn voll! Miar egal, ob i heit oder moargn oder übermoargn Post bekomme. I mog nimma! I mog miar nimma den Oarsch aufreißn, damit am Ende irgndwer an mi denkt oda au ned.“

Lynn schluckte und knetete sich nervös die Hände. Er wusste um den Frust seiner Lisa und konnte die Heftigkeit darüber recht gut nachvollziehen. Schließlich ist er erst kürzlich selbst mit den Unwegsamkeiten seiner und ihrer Psyche Schlitten gefahren, als er im Norden unterwegs gewesen war, um die Unterlagen für seine weiteren Schritte der Transition zusammenzusammeln.  
Da war es ihm wie ein zwischenzeitlicher Serverausfall seinerseits vorgekommen, als ihm seine insgesamt überspannte Wahrnehmung plötzlich seine alten Urängste von damals suggerierte und ihm vorgaukelte, wieder im Wahn gefangen zu sein. Im Wahn darüber, nicht geliebt und verlacht zu werden, es verkackt zu haben und vertrackt zu sein. Im Wahn darüber, nicht akzeptiert und toleriert zu werden. Im Wahn, Angst vor der Angst haben zu müssen. Und im Wahn, sich nicht im Leben zurechtzufinden und gänzlich allein damit zu sein, keine Freunde zu haben und niemanden, der an seinem Leid teilhaben wollte. Und auch im Wahn darüber, alles falsch gemacht zu haben in seinem bisherigen Leben.

Lynns Puls galoppierte ihm davon, wenn er daran dachte, dass er auf dieser Reise den Teufel in sich gefühlt hatte, wie er ihm Hörner aufgesetzt, den Pferdefuß angezogen und den Rattenschwanz an Zweifeln hinter ihm hergezogen hatte, um ihn durch die Altstadt zu treiben und den Jüngern seiner Vergangenheit als hoffnungslosen Narr vorzuführen.
So sah er sich wieder und wieder rücklings auf der Spielzeugbahn des Christkindlmarktes vor Ort sitzen und nackt in der Seele quer über den Festplatz rattern. Damit auch ja niemand auf die Idee kommen könnte, ihn ernst zu nehmen in seiner Wahnhaftigkeit vom Heiland der milden Gaben, an denen man sich laben konnte, wenns einem Mal frierte und man das Leid des Zweifels gebierte.

Enttäuscht über sich selbst schloss Lynn schließlich die Augen und griff nach der Hand seiner Lisa. „Komm! Lass uns verschwinden und verwinden das Leid dieser Tage! Lass uns das Kämmerlein im geschmerzten Herzen verbinden und lass uns winden die Wunden mit bunter Farbe, so dass wir zumindest innen fröhlich sind.

© CRSK, Le, 12/2024

Send me your Love my Darling

Send me your Love my Darling

Kreatives Schreiben

Send me your Love, my Darling ist ein Text, der etwas düster daher kommt und indem es um das Phänomen Zeit geht. Mal vergeht sie rasendschnell und mal quälend langsam. Und immer wird sie als subjektiv empfunden, wenn man über sie spricht.

Send me your Love my Darling

„Tick-Tack, die Zeit läuft“, sprach der Waldläuf und schaute Lynn verschmitzt an. Während die schwarzen Pupillen seiner Augen unaufhörlich wie zwei Pendel hin und her schwangen oder vielmehr wackelten und den Zeitbetrachter dabei ganz schwindelig machten.
Lynn blickte verdutzt drein. Ihm fehlten gefühlte Stunden seines Bewusstseins, als er auf die ihm fremde Ruhla-Uhr schaute, die ihm wohl irgendwer um sein linkes Handgelenk gebunden haben musste, während er weggetreten war.
Das letzte, woran er sich noch erinnern mochte, war die Tatsache, dass er sich vergangene Nacht nach getaner Arbeit spontan auf den Weg eines spätsommerlichen Spaziergangs gemacht hatte, um sich runterzuholen vom hektischen Lauf der Zeit und sich danach vielleicht noch – des entspannteren Einschlafen wegens – zu Hause leiblich und seelisch sowie moralisch lustvoll zu befriedigen.
Doch alles, was vor seinem Zusammentreffen mit dem Waldläuf war und nach seinem Logout aus dem Zeiterfassungssystem in der Firma, lag verschwommen im Nebel seiner Wahrnehmung.

Er musste Stunden ziellos durch die gewitterschwangere Sommernacht gelaufen sein, bevor er in die Nähe seines Zuhauses gekommen war. Stunden, damit jeder einzelne Schmerz der Arbeit mit jedem Schritt mehr und mehr von ihm abfallen konnte. Jeder Druck. Jedes eilige Abgehetzt-Sein. Und jede Not. Stunden, um sich wiederzufinden im Sein.
Stunden, um sich wieder langsam ins erschöpfte Wohlbefinden einzutakten und die Maloche des Förderbandes der Zielvorgaben hinter sich zu lassen.
Gefühlte Stunden, die er nicht gezählt hatte und die ihm nicht mehr erinnerlich präsent waren. Bis zu dem Zeitpunkt nicht mehr präsent, als er auf den Waldläuf getroffen war. Und das mitten in der Stadt?! Unmittelbar in seinem Kiez. Wo er sonst mit sich allein im Café eine Macha-Latte trinken ging, wenn er sich etwas gönnen wollte.

Und nun stand er völlig verdattert dem Waldläuf gegenüber und betrachtete fasziniert dessen klapprigen Drahtesel. Dessen Einrad-Fahrgestell war nämlich mit farbenfrohem Garn umhäkelt, und lauter bunte Franzen waren an die Felge des Rades geklebt und umwoben deren Speichen.
Während der Waldläuf das Einrad aus dem Stand heraus balancierte, grinste sein roter Mund sehr breit und zeigte dabei seine makellosen Zähne.
„Tick-Tack, die Zeit läuft“ sprach er noch einmal zu Lynn. Nur dieses Mal tat er es mit einer Patronenhülse zwischen den Zähnen. Woher diese so urplötzlich aufgetaucht war, konnte Lynn nicht mit Bestimmtheit sagen. Doch ihm wurde sehr mulmig dabei zu mute.
„Du hast da was für mich“, fuhr der Waldläuf fort und wies dabei um sich herum auf die überall mit schwarzen Tüchern verhangenen Schaufenster der Straße.
Das war Lynn vorher gar nicht aufgefallen und er spürte in diesem Wissen, wie trocken seine Mundhöhle mit einem Male geworden war. Er wollte dem Waldläuf etwas entgegnen, doch er hörte nur das ausgedörrte Hüsteln seiner Kehle.

„Ich will die Briefe deines Herzens und die Postkarten, die von deinem Leben erzählen. Alle! Auch die, die du noch gar nicht geschrieben hast“, fuhr der Waldläuf fort.

Lynn schluckte. Damit hatte er nicht gerechnet, als er völlig ausgepowert das Werksgelände verlassen hatte, um sich eigentlich auf dem direkten Wege nach Hause zu begeben.
Und nun stand er einem verwitterten Clown gegenüber, der eher an ein vertrocknetes Hutzelmännchen – mit Lumpen um den Leib gewickelt – erinnerte, als an ein stattliches und farbenfrohes Geschöpf der Großstadt-Zirkus-Welt.

Mit zittriger Stimme fragte Lynn schließlich: „Warum nennt man dich eigentlich den Waldläuf?“
Doch der Waldläuf ging überhaupt nicht darauf ein, sondern beugte sich von seinem Einrad herunter, um Lynn direkt in die Augen zu schauen. Seine Stimme klang wie der verwitterte Deckel eines Sarges, als er schlussendlich weitersprach: „Send me you! Send me your Love, my Darling!“

„Und alles, was ich für ein Stoßgebet gen Himmel benötige“, fügte Lynn flüsternd hinzu, bevor ihn der Waldläuf mit Haut und Haar verschlang und die Lippen seines inzwischen rot verschmierten Mundes die leere Patronenhülse aufs nasse Kopfsteinpflaster spuckten.
Der Parkwächter würde sie bei seinem nächsten Rundgang zur vollen Stunde finden und sich darüber wundern, warum jemand mittels diverser Punzen das Wort Freiheit in den Boden der Hülse graviert hatte.

 

 © CRSK, LE, 09/2024

Es passiert dich

Es passiert dich

Kreatives Schreiben

Es passiert dich ist ein Text, der dem Leser vor Augen führt, dass einem diverse Dinge im Leben passieren können beziehungsweise diese durch einen hindurch passieren können, wenn wir uns dafür durchlässig halten und am Ende nicht Be-werten – egal of Ab- oder Au- ….

Es passiert dich

„Ich weiß“, überlegte Lynn Lonely laut vor sich hin, als er sein durchgeschwitztes Schlaf-Shirt im Bad auswrang und sich danach mit einem flüchtigen Blick in den Spiegel begutachtete.
„Ich nenne sie heute die ‚Tussi ohne Namen‘“, sprach er weiter mit sich selbst und wischte sich dabei den Schweißfilm von der Stirn. „Es ist mein ganz spezieller Geheimname für sie“, fuhr Lynn mit belegter Stimme und kraus gezogener Stirn fort, „denn er erinnert mich daran, dass das Grauen, was damals von ihr ausging, gleich meine gestrige Gräulichkeit bedeutete und meine heutige Schatten-Erinnerung an sie ausmacht.“

Lynn stand inzwischen vor dem Flurgarderobenspiegel und erblickte darin seine abgehetzte Lisa, wie sie in seinen Kindertagen über den Berg hinweg nach Hause davonrannte, weil ihr der Klassentrietz der Tussi und deren Schergen drohte und niemand ihr beigebracht hatte, wie sie denen die Stirn bieten konnte, um ihnen das Nein ihrer Wohlfühlzone um die Ohren zu hauen und deren Überschreitungen durch andere konsequent entgegen zu treten.

Und nun musste Lynn mit ansehen, wie die ‚Tussi ohne Namen‘ im Rahmen seines Spiegelbildes trotz allem seine Lisa im Kreise ihrer Fans zur Schnecke machte. Justament fühlte er sich mittendrin und konnte dennoch nicht für seine Widersacher fühl- und hörbar sein eigenes „Nein“ und das seiner Lisa verteidigen, obwohl Lisa es ihm gefühlte einhundert-und-eintausend Mal wortlos zugeflüstert und mit längst verdunsteten Tränen in seine Seele geschrieben hatte.

Stumm stand Lynn vor dem Spiegel und schleuderte den Widersachern seines vergangenen Ichs die Gegenwehr entgegen, die Lisa damals nicht aufbringen konnte. Seine Seele fühlte sich davon schon ganz fusselig an. Doch gehört wurde er von dieser ‚Tussi‘ und deren Schergen nicht und das machte ihn wiederum restlos faserig.
Faserig vor lauter Ohnmacht. Faserig vor lauter Wut und Hilflosigkeit. Faserig vor lauter Trauer.
Trauer darüber, dass niemand ihn hörte und seine „Neins“ wahrnahm und das obwohl er sich gefühlt schon wortlos und heißer geschrien hatte. So gänzlich ohne Argumente seines sonst regen Redeflusses. Und das machte ihn verzweifelt.

Verzweifelt auch, weil er den Ausgang nicht fand.
„Es passiert mir wieder“, sprach er. „Denn es fühlt sich so wie damals an und rührt die alten Wunden auf.“
„Dabei braucht es dich nur passieren“, flüsterte ihm Lisa aus dem Spiegel zu. „Und du schaust dann, was dabei mit dir geschieht oder eben auch nicht geschieht. Wenn möglich, ohne Be-Wertungen deinerseits.“
Verdutzt blickte Lynn auf und hörte das Piepen des Weckers, als dessen Alarm losschrillte.

 

© CRSK, Le, 09/2024

Alles Bockwurst oder wie?

Alles Bockwurst oder wie?

Kreatives Schreiben

Alles Bockwurst oder wie ist ein sati(e)rischer Text, den man mehrdeutig lesen kann. In die Richtung der politischen Großkampflage z.b. … Aber Mensch kann davon ausgehen, dass ihm seine Träume durchaus verraten, wo seine Bedürfnisse ernährungstechnisch gerade liegen

Alles Bockwurst oder wie?

„Das Ende der Egalität“, sagte Herr Wurstinger, „ist nur eine Frage der Zeit für mich“ und kratzte sich dabei seine unrasierten Enden. Denn er wusste sehr genau, dass er ein Herr war, der sowieso alles nur Wurst fand, was die Bildung einer freiheitlichen Geschwisterlichkeit im Staate der Michels und Dichels betraf.
An diesem Tage diskutierte er mit Lynn bis aufs Messers Schneide, ob das Ende der Egalität entweder eine oder zwei oder eventuell sogar mehrere Würste bedeuteten könnte, wenn Mensch nur einer starken Schulter folgen würde, anstatt die Last auf mehrere Parteien gleichzeitig zu verteilen, um so die Vielfalt der Diversität einer Gemeinschaft zu gewährleisten.

Dabei produzierte der Herr Wurstinger im Widerstreit mit Lynn um die Wette seine blauen Würste und präsentierte diese am Ende der Gilde der Alles-Wurst-Fraktion. Denn am Ende würde der Überzeugung vieler nach, eh die braune Scheiße obsiegen. Auch wenn erst die Gilde darüber entscheiden würde, wessen Würste wohl die Besseren seien und wessen wohl einfach nur in die Tonne oder vielmehr ins Klo zu gut Deutsch gehörten.

Und noch während Lynn davon träumte, seine eigene inneren Alles-Wurst-Haltung reinzulegen beziehungsweise eventuell nicht weiter darzulegen, fluchte er vor versammelter Mannschaft im Takt der Maschinenherzen.
„Scheiße!“, schimpfte er und betrachtete dabei seine Latzhose von oben. Wohingegen die Kollegen nicht mosaunten, sondern sich ihre Ärsche im Pausenraum glatt plätteten und spaßeshalber die verschmierte Schokolade auf dem Latz von Lynns neuer Arbeitshose mokierten und sich darüber amüsierten, wie er seine süßen Snacks zu essen pflegte.

Dann erwachte Lynn und spürte sein Herz im Gleichtakt des Maschinenlärms in seinen Ohren schlagen. „Nichts ist so heiß, dass es nicht gegessen werden kann, wenn man das Puste-puste-Kuchen-Spielchen beherrschte“, dachte er sich und verzagte dennoch etwas, als er beherzt in sein aufgeschnittenes Brötchen mit der Bockwurst in der Mitte biss und ihm dabei der Senf aufs rechte Hosenbein tropfte. „Flexitarier sein“, fragte er sich, „ist einfacher als klare Kanten in Sachen Ernährung zu zeigen, wenn auch nur im leiblichen oder gar auch im geistigen Sinne?“

 

© CRSK, LE, 09/2024

Die Säuernis von ranziger Butter

Die Säuernis von ranziger Butter

Kreatives Schreiben

Die Säuernis von ranziger Butter ist ein Text, der von einem Platzhahn und seinen „willigen“ Hennen erzählt und einem Steckbrief über einen Buttersäureanschlag, den ihm am Ende die wahrheften Hirschhennen ins zerzauste Federkleid stecken.

Die Säuernis von ranziger Butter

* Die Hennen vom Schafott-Berg haben die ranzige Butter mit ihrer Säuernis nicht (von allein) auf ihre trockenen Renftel gestrichen. Garantiert nicht! *

Der Platzhahn mirscht sich bei seiner Pirsch über die malerischen Waldlichtungen sonders gleichen an die Scham der Hirschhennen heran, um sie eine nach der anderen mit dem Geruch von ranziger Butter flachzulegen. So jedenfalls ist es sein Plan gewesen, als er das Paradies der Hirschhennen betritt.
Doch dann erblickt er die wilden Schalotten-Zwiebeln, die die Hennen als Lockmittel für den Hirsch am Platze ausgelegt haben, um diesen mit dem Charme eines anscheinend noch nicht geräuberten Gemüsegartens ihrer Scham zu locken und ihm vorzugaukeln, dass sie wehrlose Hühner seien, die man sich einfach so nehmen und beiseiteschaffen könne, um sie oder auch ihre Eier irgendwann schließlich in die Pfanne zu hauen.

Und so thronen die überreifen Schalotten filmisch geschickt inmitten der Lichtungen auf den Schamhügeln der scheinbar schlafenden Platzhennen und warten samt ihren Eignerinnen darauf, vom Hirsch des Hauses vernascht zu werden.
Als der läufige Platzhahn jedoch mitten in der blauen Supermondnacht plötzlich lautstark über seine eigenen Füße stolpert, stieren ihn mit einem Mal über hundert royal grün-orangene Hühneraugen an. Dann beginnen die dazugehörigen gelben Schnäbel hackend auf seinen Leib einzutrommeln, der mit einem Male in der Schockstarre seines Lebens versinkt, um sich für die Angreiferinnen tot zu stellen.

Als die Schnäbel der Hennen endlich mit ihren Attacken pausieren, ist es fast um den Platzhahn geschehen. Noch immer ist er vom Schock seiner eigenen Narretei erstarrt. Erst als ihm die Hennen moralinsauren Essig unter die Nase halten und ihn dabei mit seiner ranzigen Butter noch eine Einreibung verpassen, bekommt er das große Würgen und Rennen und flüchtet schnurstracks aus ihrer Reichweite.
Verwirrt zieht er mitten im Rückzug von seinem missglückten Streifzug durch die gar nicht lüsternen Gärten seiner Hennen einen zerknüllten Steckbrief aus seinem zerzausten Federkleid. Darauf stand mit ungelenken Lettern hingekritzelt:

Buttersäure-Attentäter gesucht!
Zuletzt in der Nacht des blauen Supermondes gesichtet.
Für sachdienliche Hinweise wird eine Belohnung von Eintausend Litern Buttermilch ausgesetzt.
Meldungen sind an die Hennen vom Schafott-Berg zu richten.
Mit bestem Dank
Ihre Oberhenne vom Platz
Margot

 

© CRSK, LE, 08/2024

 

 

Post Scriptum

Es gab in der Nacht vom 16. zum 17. August einen Buttersäure-Anschlag auf das Leipziger Figurentheater Westflügel und deren unmittelbaren Anwohner.
Und ich persönlich kann nur sagen:

Schämt euch, ihr da draußen, die diese Missetat begangen habt! Ihr schießt euch selbst damit letztendlich ins eigene Bein, auch wenn euch anscheinend die bunte Kulturlandschaft Leipzigs missfällt.

Warum sollte Mensch sonst so etwas kurzsichtiges tun? Oder?

War es die Angst vor der Macht einer freien und auch diversen Kulturlandschaft? War es Neid und Missgunst? Oder einfach die Gedankenlosigkeit vom gelangweilten Partyvolk? Oder gar eine saudumme Mutprobe? Oder etwa die Tat gewalt-extremer (egal welcher Couleur) Kräfte?

Ich, als freudiger Besucher des diesjährigen Sommerfestes verstehe das nicht. Soll das etwa die zukünftige Umgangsform mit nicht genehmen Meinungen und künstlerischer Schaffensfreiheiten sein?

Na dann, Prost Mahlzeit! Es drohen uns finstere Zeiten. Ganz finstere …

Buttersäureanschlag auf den Westflügel

Charlotte kocht

Charlotte kocht

Kreatives Schreiben

Charlotte kocht ist ein Text über die Tatsache, dass die Liebe auch durch den Magen geht. Sinnlichkeit pur. Die Verführung des Geschmackes.

Charlotte kocht

„Die letzten Tage“, ach, was schreibe ich, „gar Wochen ging es sehr bewegt am Set meines Lebens zu“, notierte Lynn in sein Tagebuch.
Er lächelte und sinnierte dabei über all die kleinen und großen Szenen der vergangenen Stunden, Tage und Wochen. Und er freute sich, dass ihn die Ereignisse nicht erschlagen, sondern am Leben gelassen hatten, damit er sich wie ein weißer Rabe in die Lüfte hatte erheben können, um just in diesen Momenten das Paradies der Waldlichtungen in den Augen seiner Freundin im Tiefflug seiner wachen Träume ergründen zu können.
Denn sein innerer Regisseur, dem das Filmset und der gesamte Campus gehörte, hatte sich ihm gnädig gezeigt und – von langer Hand geplant – seine eine Liebe auf den Plan gerufen.

Und nun stand Charlotte in seiner Küche und brachte den Schalotten näher, wie sie royal in der Suppe ihrer beider Dasein schwimmen konnten, ohne mit den Pfifferlingen und Süßkartoffeln zu konkurrieren.
Denn Charlotte war eine Meisterin der Küche der Herzen und war sogar dazu in der Lage läufige Geister in den Gaumenfreuden der Sinne einzufangen. So saß Lynn, der gar nicht mehr lonely gewesen war, schließlich leicht bekleidet inmitten der drückenden Wärme seines Atelier-Wohnzimmers und ließ sich vom aromatischen Duft der Schalotten entflausen.

Währenddessen erleichterte sich gerade ein übellauniges Sommergewitter in den Straßen der Stadt, trommelte mit seinen Regenfingern von draußen gegen die Fensterscheiben des Hauses, in dem Lynn wohnte, perkussionierte ungezählte Achtungs-Wirbel auf den Dächern ganzer Straßenzüge und setzte kurzzeitig Gehwege und Fahrbahnen unter Wasser, so dass der Verkehr zwangsweise pausieren musste, bis die Feuerwehren die Keller zahlreicher Häuser und die Kanalisation im Bett des Straßennetztes wieder in den Takt des Untergrundes gebracht hatte.

Lynn lächelte abermals. Er hatte sich inzwischen neben seiner Charlotte auf der Couch niedergelassen und hielt vorsichtig die halbvolle Schale mit Suppe in den Händen. Während seine Freundin ihren Kopf an seine Schulter gelehnt hatte und mit den Fingern ihrer linken Hand die Kringel-Haare seines rechten Beines kraulte. Um nichts in der Welt hätte er jetzt mit irgendwem anderen da draußen im Regen tauschen wollen, denn filmisch wäre das der pure Nonsens gewesen …

 

© CRSK, LE, 08/2024