Es passiert dich

Es passiert dich

Kreatives Schreiben

Es passiert dich ist ein Text, der dem Leser vor Augen führt, dass einem diverse Dinge im Leben passieren können beziehungsweise diese durch einen hindurch passieren können, wenn wir uns dafür durchlässig halten und am Ende nicht Be-werten – egal of Ab- oder Au- ….

Es passiert dich

„Ich weiß“, überlegte Lynn Lonely laut vor sich hin, als er sein durchgeschwitztes Schlaf-Shirt im Bad auswrang und sich danach mit einem flüchtigen Blick in den Spiegel begutachtete.
„Ich nenne sie heute die ‚Tussi ohne Namen‘“, sprach er weiter mit sich selbst und wischte sich dabei den Schweißfilm von der Stirn. „Es ist mein ganz spezieller Geheimname für sie“, fuhr Lynn mit belegter Stimme und kraus gezogener Stirn fort, „denn er erinnert mich daran, dass das Grauen, was damals von ihr ausging, gleich meine gestrige Gräulichkeit bedeutete und meine heutige Schatten-Erinnerung an sie ausmacht.“

Lynn stand inzwischen vor dem Flurgarderobenspiegel und erblickte darin seine abgehetzte Lisa, wie sie in seinen Kindertagen über den Berg hinweg nach Hause davonrannte, weil ihr der Klassentrietz der Tussi und deren Schergen drohte und niemand ihr beigebracht hatte, wie sie denen die Stirn bieten konnte, um ihnen das Nein ihrer Wohlfühlzone um die Ohren zu hauen und deren Überschreitungen durch andere konsequent entgegen zu treten.

Und nun musste Lynn mit ansehen, wie die ‚Tussi ohne Namen‘ im Rahmen seines Spiegelbildes trotz allem seine Lisa im Kreise ihrer Fans zur Schnecke machte. Justament fühlte er sich mittendrin und konnte dennoch nicht für seine Widersacher fühl- und hörbar sein eigenes „Nein“ und das seiner Lisa verteidigen, obwohl Lisa es ihm gefühlte einhundert-und-eintausend Mal wortlos zugeflüstert und mit längst verdunsteten Tränen in seine Seele geschrieben hatte.

Stumm stand Lynn vor dem Spiegel und schleuderte den Widersachern seines vergangenen Ichs die Gegenwehr entgegen, die Lisa damals nicht aufbringen konnte. Seine Seele fühlte sich davon schon ganz fusselig an. Doch gehört wurde er von dieser ‚Tussi‘ und deren Schergen nicht und das machte ihn wiederum restlos faserig.
Faserig vor lauter Ohnmacht. Faserig vor lauter Wut und Hilflosigkeit. Faserig vor lauter Trauer.
Trauer darüber, dass niemand ihn hörte und seine „Neins“ wahrnahm und das obwohl er sich gefühlt schon wortlos und heißer geschrien hatte. So gänzlich ohne Argumente seines sonst regen Redeflusses. Und das machte ihn verzweifelt.

Verzweifelt auch, weil er den Ausgang nicht fand.
„Es passiert mir wieder“, sprach er. „Denn es fühlt sich so wie damals an und rührt die alten Wunden auf.“
„Dabei braucht es dich nur passieren“, flüsterte ihm Lisa aus dem Spiegel zu. „Und du schaust dann, was dabei mit dir geschieht oder eben auch nicht geschieht. Wenn möglich, ohne Be-Wertungen deinerseits.“
Verdutzt blickte Lynn auf und hörte das Piepen des Weckers, als dessen Alarm losschrillte.

 

© CRSK, Le, 09/2024

Alles Bockwurst oder wie?

Alles Bockwurst oder wie?

Kreatives Schreiben

Alles Bockwurst oder wie ist ein sati(e)rischer Text, den man mehrdeutig lesen kann. In die Richtung der politischen Großkampflage z.b. … Aber Mensch kann davon ausgehen, dass ihm seine Träume durchaus verraten, wo seine Bedürfnisse ernährungstechnisch gerade liegen

Alles Bockwurst oder wie?

„Das Ende der Egalität“, sagte Herr Wurstinger, „ist nur eine Frage der Zeit für mich“ und kratzte sich dabei seine unrasierten Enden. Denn er wusste sehr genau, dass er ein Herr war, der sowieso alles nur Wurst fand, was die Bildung einer freiheitlichen Geschwisterlichkeit im Staate der Michels und Dichels betraf.
An diesem Tage diskutierte er mit Lynn bis aufs Messers Schneide, ob das Ende der Egalität entweder eine oder zwei oder eventuell sogar mehrere Würste bedeuteten könnte, wenn Mensch nur einer starken Schulter folgen würde, anstatt die Last auf mehrere Parteien gleichzeitig zu verteilen, um so die Vielfalt der Diversität einer Gemeinschaft zu gewährleisten.

Dabei produzierte der Herr Wurstinger im Widerstreit mit Lynn um die Wette seine blauen Würste und präsentierte diese am Ende der Gilde der Alles-Wurst-Fraktion. Denn am Ende würde der Überzeugung vieler nach, eh die braune Scheiße obsiegen. Auch wenn erst die Gilde darüber entscheiden würde, wessen Würste wohl die Besseren seien und wessen wohl einfach nur in die Tonne oder vielmehr ins Klo zu gut Deutsch gehörten.

Und noch während Lynn davon träumte, seine eigene inneren Alles-Wurst-Haltung reinzulegen beziehungsweise eventuell nicht weiter darzulegen, fluchte er vor versammelter Mannschaft im Takt der Maschinenherzen.
„Scheiße!“, schimpfte er und betrachtete dabei seine Latzhose von oben. Wohingegen die Kollegen nicht mosaunten, sondern sich ihre Ärsche im Pausenraum glatt plätteten und spaßeshalber die verschmierte Schokolade auf dem Latz von Lynns neuer Arbeitshose mokierten und sich darüber amüsierten, wie er seine süßen Snacks zu essen pflegte.

Dann erwachte Lynn und spürte sein Herz im Gleichtakt des Maschinenlärms in seinen Ohren schlagen. „Nichts ist so heiß, dass es nicht gegessen werden kann, wenn man das Puste-puste-Kuchen-Spielchen beherrschte“, dachte er sich und verzagte dennoch etwas, als er beherzt in sein aufgeschnittenes Brötchen mit der Bockwurst in der Mitte biss und ihm dabei der Senf aufs rechte Hosenbein tropfte. „Flexitarier sein“, fragte er sich, „ist einfacher als klare Kanten in Sachen Ernährung zu zeigen, wenn auch nur im leiblichen oder gar auch im geistigen Sinne?“

 

© CRSK, LE, 09/2024