Froschkönig

Meerpfusch von Annu-duzu-Mul

Froschkönig
Froschkönig

„Eyh Alte, haste mal ‘ne Mack?“, grinste Herr von und zu Brausewitz Frau Wüstenei an und hielt ihr eine Handvoll vergilbter Personalien unter die Nase. Sie konnte erkennen, dass die abgewetzten Passbilder darauf allesamt weiblicher Natur waren.
Herr von und zu Brausewitz schwankte ein wenig in der Nachmittagssonne, als seine weißen Zähne der Frau entgegen strahlten und ihr, wie sie meinte, nichts Gutes verhießen. Er war einer der fliegenden Händle, die an der Seepromenade am Hafen ihr Revier abgesteckt hatten.
Das wusste sie von ihren nachmittäglichen Kaffeedamen. Und es herrschte in dieser erlauchten Runde die allgemeine Meinung darüber, dass diese Gesellen allesamt vor etwas mehr oder weniger Unbestimmten in ihrem Leben geflohen waren oder vielmehr immer noch flohen.

Genau dieser Herr von und zu Brausewitz schien Frau Wüstenei an jemanden zu erinnern, den sie schon lange in der Mottenkiste vergraben glaubt hatte. Als sie so unerwartet ihrer Erinnerung gegenüberstand, fühlte sie sich ohnmächtig ob der längst vergangenen Tage. Das zündelte die altbekannte Wut in ihrer Magengegend, die sich wie ein Lauffeuer auf ihr restliches Gedärm zu übertragen drohte.

Sie stand nicht gerade mausknietief, sondern vielmehr meterhoch, in ihrer eigenen Soße. Dennoch schaffte sie es, zumindest nach außen hin, gelassen zu bleiben und diesen Herrn von und zu Brausewitz genauso unverfroren entgegen zu grinsen, wie er es ihr gegenüber tat. Tief kramte sie in ihren Rocktaschen und reichte ihm schließlich einen stummen Laubfrosch, den sie schon seit Jahren als Ohmen mit sich herumtrug.
„Nimm diese milde Gabe, als Dank für deine damaligen Dienste, die nicht du begangen hast, sondern ein anderer“, sprach sie freundlich.
„Seine innere Mechanik ist zwar über die Jahre kaputt gegangen, so dass er nur noch Quark denkt, anstatt im Schein der Annehmlichkeiten mit seinen weltmännischen Froschkumpels um die Wette zu quaken. Doch das ist nicht so schlimm, finde ich, sondern eher amüsant, glaube ich“, fuhr Frau Wüstenei fort. Sie lächelte.
„Und wenn es dir mal mies ergeht, dann küsst du ihn einfach auf seinen metallenen Mund. Damit er nicht mehr an Quark denken kann, sondern für dich nächtliche Süßspeisen-Gelage veranstaltet, um sich zu einer Märchenprinzessin zu verwandeln. Dann kann sie dir nämlich die Meinung frisieren und dir den Mund zukleben, damit dein Zahnweiß nicht mehr diejenigen Weiblichkeiten anbaggern kann, die bei drei noch nicht auf den Bäumen sind.“

Frau Wüstenei giggelte, wand sich schließlich von dem verdutzten Herrn von und zu Brausewitz ab und übte sich im Einbein-Weitsprung. Wie damals, als sie noch Kinder gewesen waren und Himmel und Hölle gespielt hatten.
Dann klebte sie die restlichen Marken aus ihrer Vergangenheit an die umliegenden Häuserwände von Meerpfusch und tauchte zusehends im Strom der alltäglichen Touristen ab. Denn der Ort war ein beliebtes Ausflugsziel am großen Binnensee der fahrenden Händler im Fünfländereck der südlichen Eierländer von Annu-duzu-Mul.

© CRSK, Le, 02/2023

 

Die 8 reizenden Wörter:

 

  • Mausknietief
  • Gelassen
  • Marke
  • Kleben
  • Laubfrosch
  • Frisieren
  • Baggern
  • Weitsprung

 

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