Mein Held Herr Blaumeier

Ich habe heute wieder den Hund von Herrn Blaumeier gesehen. Wie er aus dem Rucksack seines Herrn schaute mit seinen großen Hundeaugen und herzhaft gähnte, während Herr Blaumeier in der Bahn saß und sich das Kunstlicht der ewig leuchtenden Nachtlichter auf den nicht blond gelockten Bauchpelz hatte scheinen lassen.
Er war ein Sitzriese und überragte alle Mitreisenden wie ein Leuchtturm, während er den gewohnt feinen Zwirn über seiner stark behaarten Haut trug und in abgetretenen Anzugschuhen seiner Welt ein Schnippchen schlug, in dem er in einem fort Seifenblasen ausatmete und die Kinder in der Bahn damit verzückte.

Niemand zweifelte ihn an, auch nicht der Honigtopf auf seinem kahlrasierten Schädel, der immer wieder überkochte und dabei lauter Honigperlen absonderte, die mir im verschlafenen Sonnenaufgang wie lauter Bernsteine erschienen.

Ich wunderte mich nicht darüber. Denn Herr Blaumeier war mein bester Freund, was so was anging, und ich kannte ihn nur all zu gut.

Ich liebte ihn nicht wie mich selbst. Denn in mir sah ich eher einen meiner Wüstenkakteen mit lauter Geschenkbänderschleifen an den Stacheln.

In ihm hingegen nahm ich meinen Helden wahr, wenn auch einen tragischen. Zumindest ein ganz klein wenig, wenn ich seine Sitzgröße auf den Umfang des Honigtopfes zusammenschrumpfte. Und genau das machte ihn für mich liebenswert. Knuddelknuffig sozusagen. Wie meine heldenhaften Plüschies auf meiner grasgrünen Couch im Wohnzimmer.

Er begleitete mich durch alle Lebenslagen, wenn auch nur in meiner Phantasie. Im hier und jetzt allerdings ist er einfach eine Zufallsbegegnung in der Bahn gewesen, der ab und an des Morgens meinen inneren Schweinehund in Gestalt eines Beagles spazieren fuhr.

© CRK, Le, 08/2021